In den aktuellen Diskussionen über Flucht und Migration werden alte Stereotypen des sogenannt "kulturell Anderen“ sichtbar. BLACKBOX IWF begibt sich auf diese Spuren und gelangt dabei an einen bislang wenig untersuchten Ort: Das ehemalige Institut für wissenschaftlichen Film in Göttingen (IWF). BLACKBOX IWF handelt von der Notwendigkeit und der Unmöglichkeit, Bilder des sogenannt „kulturell Anderen” zu überwinden. Auf der Bühne konfrontieren sich ein Kulturanthropologe, zwei Performer*innen und ein Medienkünstler mit ihrer Tätigkeit als Dokumentierende.

Das IWF wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und entwickelte sich rasch zur wichtigsten Institution für eine Filmproduktion mit wissenschaftlichem Anspruch im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Im Jahr 2010 wurde es geschlossen, es blieb ein Nachlass, der tausende ethnologische Filme mit Begleittexten und Akten umfasst – eine Sammlung von Versuchen, das kulturell „Andere“ wissenschaftlich abzubilden. Nach dem “Sommer der Migration“ 2015 diente das Gebäude drei Jahre lang als Unterkunft für Geflüchtete und als Probebühne und Aufführungsort der Freien Theatergruppe “boat people projekt“, die Theaterstücke zu Flucht und Migration realisiert.

Das Konzept und die Projektidee des Stücks wurden entwickelt von Michael Westrich (Kulturanthropologe, ethnographischer Filmemacher aus Berlin) und Ute Sengebusch (Mitglied Firma für Zwischenbereiche, Schauspielerin, Regisseurin aus Basel). Ihr geteiltes Interesse gilt der Auseinandersetzung mit den diversen Realitäten unserer Migrationsgesellschaft. So kam es bereits im Januar 2017 zu einer ersten Zusammenarbeit im Rahmen des Formats GÄSTEZIMMER im ROXY Birsfelden.

Firma für Zwischenbereiche ist ein Kollektiv von Kunstschaffenden unterschiedlicher Bereiche, die in wechselnden Konstellationen interdisziplinäre Projekte realisieren. 2015 wurde Firma für Zwischenbereiche mit dem Kulturförderpreis der Stadt Basel ausgezeichnet.

Hier geht es zur FIRMA FÜR ZWISCHENBEREICHE.

 

Premiere war am 28.11.2019 im ROXY Birsfelden

Weitere Vorstellungen:
24./25./26.01.2020, jeweils 20:00 Uhr, WERKRAUM Göttingen
07./08.02.2020, jeweils 19:30 Uhr, Pavillon Hannover 

Der Eintritt erfolgt über einen SOLIDARITÄTSBEITRAG. Jede*r bezahlt an der Abendkasse so viel sie*er möchte und kann. Es gibt keinen Vorverkauf.
 

 

Team

Performance: Ute Sengebusch, Pakkiyanathan Vijayashanthan, Michael Westrich, Reimar de la Chevallerie

Konzept: Ute Sengebusch & Michael Westrich 
Regie: Ute Sengebusch 
Dramaturgie: Ntando Cele 
Bühne, Licht: Thomas Giger 
Kostüme: Salome Egger 
Livekamera, wissenschaftliche Begleitung: Michael Westrich 
Video, Sounds, Technik: Reimar de la Chevallerie 
Song: La Nefera 
Öffentlichkeitsarbeit: Jonas Gillmann (CH), Birte Müchler(D)
Produktion: Kathrin Walde (CH), Nina de la Chevallerie (D)

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UNLEARNING FLOW - Essayfilm

In Göttingen wurde jeweils vor der Vorstellung der Film «unlearning flow» gezeigt:

«Zerspanen von Stahl», «Paarung zweier Männchen», «Dum-Dum-Wirkung» und «Fadenspiele» von den Inuit, den Krahô oder den Taulipang in Guyana – das Institut für den wissenschaftlichen Film (IWF) in Göttingen setzte sich die Aufgabe, alle Bewegungsvorgänge der Welt auf Zelluloid festzuhalten. Die technischen, ethnologischen und biologischen Filme, die das IWF bis 2010 erstellte, archivierte und weltweit distribuierte, sollten «Dokumente der Wirklichkeit» sein. Ohne Kommentar sollten sie Bewegungen sichtbar, speicherbar und jederzeit reanalysierbar machen.

Kann es Bilder geben, die wirklicher sind als andere? Der Essayfilm «unlearning flow» geht sowohl der nationalsozialistischen Vorgeschichte als auch dem Erbe des IWF nach. Er hinterfragt die Ideologie der Unschuld des distanziert-objektivierenden Kamerablicks als auch das aktive white washing der eigenen Institutsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Und er schlägt einen Bogen zur Geschichte des Gebäudes, in dem das Institut seit 1961 untergebracht war. Dieses wurde nach dem Auszug des IWF erst zum Spekulationsobjekt und dann zur Unterkunft für Geflüchtete.

Der Filmemacher Christoph Oeschger und die Wissens- und Medienhistoriker*innen Sarine Waltenspül und Mario Schulze berühren mit ihrem Film bloß die Spitze eines Eisbergs: der (Kriegs-)Forschung mit Film, der (Re-)Produktion von kolonialen Machtverhältnissen und der Generierung von (Un-)Wissen durch Film.

2019, Zürcher Hochschule der Künste, Forschungsschwerpunkt Transdisziplinarität.

Ein Film von Christoph Oeschger, Mario Schulze und Sarine Waltenspül. 11 Minuten

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Mit freundlicher Unterstützung von:
Fachausschuss Tanz & Theater BS/BLStiftung NiedersachsenMigros KulturprozentChristoph Merian Stiftung, Ernst Göhner Stiftung, Schweizer Interpretenstiftung, Göttinger Kulturstiftung, Österreichische Mediathek