Eine Text-Online-Veröffentlichung nach der Ffassung vo Mai 2021
Das Stück wurde als Theaterfilm am 19.03.2021 uraufgeführt (Regie und Text Luise Rist)

Mehr Informationen zur Uraufführung finden Sie HIER.
Den Text können Sie als PDF-Datei HIER kostenfrei herunterladen.

 

 

 

GOLD – DIE KÜNSTLERIN IST ABWESEND

von Luise Rist

 

Wo ist mein Rock aus allen Blumen der Welt ?

Vor langer Zeit

Nähte ich ihn mir.

Papusza

 

Gewidmet der polnischen Dichterin Bronislawa Papusza Wajs, die von 1910 bis 1987 lebte.

 

Irina Baryalei - Bildende Künstlerin, Ende dreißig oder älter, bevorzugt zu besetzen mit einer Person of Color

Papusza - Dichterin, jedes Alter möglich, bevorzugt zu besetzen mit einer Romnija, in jedem Fall mit einer POC

Danyar - Taxifahrer und Chemiker, jedes Alter möglich, Schwarz

STIMME - Teil der fiktiven Vernissage ist eine weibliche Stimme auf Romanès. Diese Texte sollten unbedingt von einer Romanès-Muttersprachlerin eingelesen werden. Das hier verwendete in Polen gesprochene Romanès kann von der Muttersprachlerin in das von ihr gesprochene Romanès übertragen werden.

 

 

Eine Kunstausstellung. Die Bühne ist der Ort einer fiktiven Vernissage. Der Bühnenraum ist ein Ausstellungsraum. Die ausgestellten Objekte sind inspiriert von der hinduistischen Göttin Kali sowie der christlichen Schwarzen Madonna Sarah La Kali.

Stimme im Hintergrund, wiederkehrend

STIMME: Kaj san?

IRINA: Guten Abend. Kaj san, hören Sie jemanden fragen. Das bedeutet: Wo bist du?

Wo bist du..

Im Katalog dieser Ausstellungsreihe mit dem Titel GOLD, die mehrere neue – …Kunst von Frauen präsentiert, werde ich als „Performerin und Bildende Künstlerin Irina Baryalei“ angekündigt. Zur heutigen Eröffnung wurde ich gebeten, Ihnen einen „tiefen Einblick“ in meinen kreativen Prozess zu geben, Sie teilhaben zu lassen an meiner Auseinandersetzung mit dem Thema. Was ist das Thema? Die Ausstellung ist einer Dichterin der Roma gewidmet, deren Name Ihnen voraussichtlich kein Begriff ist. Beschäftigt habe ich mich mit dieser Dichterin, ja, und mit Erinnerung - mit kollektiver Erinnerung. Oder besser: kollektivem Ignorieren… Thema dieser Kunstobjekte ist aber nicht Flucht und Vertreibung. Das Thema ist die Ausstellung selbst. Ausstellen und Ausgestelltwerden. Wer zeigt wem etwas von sich selbst, wo beginnt meine Grenze, wo löst sie sich auf? Um Ihnen dies spürbarer zu machen, habe ich etwas vorbereitet.

Sobald bei Ihnen am Platz ein Lämpchen aufleuchtet, möchte ich Sie bitten, den Satz, der dort steht, vorzulesen. Satz 1. Wenn das Lämpchen später wieder aufleuchtet, lesen Sie bitte Satz 2. Die Sätze habe ich Ihnen in den Mund gelegt. Bitte verzeihen Sie, wenn manche Sätze nicht angenehm auszusprechen sind. Es sind nicht Ihre eigenen Sätze. Jeder Satz spielt eine Rolle. Es ist NICHT Ihre Rolle.

Können wir starten? Technik? Lampe 1 bitte.

1: Können Sie uns etwas über diese Dichterin erzählen, die Sie erwähnt haben, und über diese, ich glaube, indische Figur Kali?

IRINA: Papusza, mit vollem Namen Bronislava Wajs, genannt Papusza, war eine Dichterin. Obwohl sie ohne Schriftsprache aufwuchs. Ihre große Familie bestand aus Musikern, aus Fahrendem Volk. Niemand von ihnen war je zur Schule gegangen. Ihre Musik wurde von Generation zu Generation weitergegeben, und blieb immer bei ihnen. Die Roma und Sinti wurden im Holocaust, der bei ihnen Porajmos heißt – das große Verschlingen – zu Hundertausenden ermordet. Papusza war eine Überlebende. Über ihre Kindheit in den Wäldern Polens, über die Vertreibung durch die Nazis, über den Mord an 500.000 Roma und Sinti hat sie geschrieben. Aber ihre Leute wollten nicht beschrieben werden. Papusza hat das Schreiben tief bereut. Die Spur der Roma führe mich nach Indien.

Auf meinen Reisen begegnete mir die hinduistische Göttin Kali, die Schwarze Kali. Ich habe angefangen, Kali – Tempel zu besuchen, ich habe Kali immer wieder gemalt, ich war fasziniert von dieser weiblichen schwarzen Gottheit, die als Göttin der Roma gilt.

STIMME: Kaj san?

Ja, bitte?

2: Jede Ausstellung stellt Kunst aus. Das liegt in der Natur der Sache. Wieso ist das problematisch? Sie wollen doch etwas zeigen. Sonst würden Sie keine Kunst machen. Mir kommt das etwas esoterisch vor. Auch, dass ich hier gerade etwas ablese.

3: Lassen Sie sich doch darauf ein.

2: Ist das eine Psychotherapie?

IRINA: Solange die Therapeutin die Göttin Kali ist… bin ich einverstanden..

Was ist problematisch im Umgang mit, sagen wir, einer anderen Kultur. Sehen Sie die Schwarze Madonna. Sara La Kali. Das Objekt, das Sie hier sehen, ist einer Statue nachempfunden, die ich in Südfrankreich sah. In Saintes Marie de la Mer wird seit mehr als zweitausend Jahren eine besondere Statue angebetet; sie trug im Lauf der Zeiten wohl immer andere Namen. Die Figur war immer weiblich und hatte eine schwarze Hautfarbe. Es ist eine Kali-Figur. Sara la Kali entspringt ganz genau der gleichen Wurzel wie die weibliche, schwarze Gottheit Kali in Indien. Die nur viel extremer aussieht mit ihren vielen Armen und der ausgestreckten Zunge. Es gibt eine uralte Geschichte der Anbetung einer weiblichen, und eben auch schwarzen Gottheit, die weltweit fast identisch existiert, aber verschiedene Namen trägt, und – das ist entscheidend: die von den Gesellschaften marginalisiert wurde. Interessanterweise wird Kali sowohl in Indien als auch in Kanada, oder Mexiko, oder eben in Saintes Marie de la Mer insbesondere von Roma und Sinti verehrt. --

Wenn ich eine Kali-Figur reproduziere, riskiere ich nicht nur, dass sie ohne den Kontext bedeutungslos wird,- denken Sie an tausendfach reproduzierte Buddha-Statuen, die in deutschen Wohnzimmern sitzen -, sondern ich riskiere auch, dass ich mich einer Kultur bediene, dass ich kaufe, ohne zu bezahlen. Verstehen Sie, was ich meine? -- Das ist ein schmaler Grat. Ich möchte eine Figur natürlich nicht kopieren, sondern in einem anderen Kontext mit einer neuen Bedeutung aufladen. Das ist übrigens nicht esoterisch. Sondern sehr politisch.

Es kann passieren, dass ich etwas von einer anderen Kultur ausstelle und dadurch der Kultur nicht etwas hinzufüge, sondern ihr etwas zufüge. Eine Silbe nur ist anders, aber..

3: Sie sprechen von kultureller Aneignung.

IRINA: Ja. Das Ausgestellte kann aber auch Teil meiner eigenen Kultur sein. Auch dann gibt es den Moment der Gefährdung – was zeige ich, was stelle ich aus, ohne jemanden persönlich auszustellen, ohne der Community etwas zu nehmen, was sie vielleicht nur für sich bewahren möchte, bewahren muss? Die Dichterin Papusza, deren Stimme Sie in meiner Installation hören können, ist so ein Beispiel. Ein polnischer Intellektueller brachte sie dazu – auch seine Beweggründe wären zu beleuchten! - ihre Gedichte und Lieder zu veröffentlichen. Durch die Veröffentlichungen wurde ein Teil der Kultur der polnischen Roma für alle zugänglich. Für die Gadjé, so heißen die “Nicht-Roma“. Für die Roma war es nicht zu ertragen, dass etwas von ihnen, aus ihrer Kultur, zu den Gadjé gekommen war. Die ihnen seit jeher nur schaden wollten. Es war Verrat in ihren Augen. Im Angesicht des Holocaust nur zu verständlich. Und dennoch…

4: Ist das hier Ausgestellte denn nun Teil Ihrer eigenen Kultur?

STIMME: Jekh chavorri pr-e phike, vaver apr-e vasta. Ada zanäs Rroma.

IRINA: Gibt es ein technisches Problem? Die Stimme kommt hier eigentlich nicht.

5: Was meinen Sie?

IRINA: Wie, was meinen Sie? Ich? Wo ist Papusza?

TECHNIK: Alles nach Plan, wir können weiter machen.

Irina wirkt abwesend. Danyar versucht, unauffällig Kontakt aufzunehmen.

DANYAR: Alles in Ordnung?

TECHNIK: Wenn Sie bitte nur sprechen, wenn die Lampe bei Ihnen leuchtet!

DANYAR: Klar. Verzeihung..

6: Sie haben sich sehr mit dem Thema der Minderheit beschäftigt – ich nehme nicht an, dass Sie selbst eine .. eine Roma sind, also wie kommen Sie auf das Thema?

IRINA: Die Roma und Sinti haben eine reiche Mythologie. Sie sind die ersten Kosmopoliten..

7: Naja –

IRINA: Wie? Ich bitte Sie, abzulesen, was da steht. Eigene Kommentare ok, aber – das ist eine Performance, die läuft nach bestimmten Regeln, sie können gerne später – ach egal. Sie haben Recht. Es ist natürlich möglich, dass Sie selbst..

STIMME: Ada zanäs Rroma.

IRINA: Ok. Wieso nehmen Sie an, dass ich keine Romnija oder Sintezza bin?

8: Möchten Sie uns denn erzählen, wo Sie selbst herstammen?

9: Ich habe gelesen, dass Sie in Isfahan, im Iran, geboren sind.

IRINA: Roma gibt es auch in Isfahan. Meine Kunstwerke sprechen auch nicht von mir. Sondern von uns. Hoffentlich. Ich bin im Übrigen auch nicht in Isfahan geboren. – Sondern in der Türkei. Mein Vater kam aus – ach.

10: Kamen Ihre Eltern als Gastarbeiter aus der Türkei?

IRINA: Ich bin nur geboren in der Türkei, meine Eltern sind keine Türken. Das ist kompliziert, und hat mit dem Thema der Ausstellung auch nichts zu tun.

11: Die Sinti werden auch in der Türkei ausgegrenzt, das habe ich gehört, dass es da große Probleme gibt.

12: Die meisten Roma leben in Rumänien.

IRINA: … Ich bin in Deutschland aufgewachsen.

13: Stimmt es eigentlich, dass Ihre Familie abgeschoben werden sollte?

Stille

IRINA: Das steht da nicht.

14: Sie sind Künstlerin geworden. Das ist ermutigend. Die meisten Gastarbeiter, die nach Deutschland kamen, haben ja in Fabriken gearbeitet. Dass deren Kinder dann hier Karriere machen, das ist doch ein Zeichen für gelungene Integration.

15: Gastarbeiter? Sie haben da wohl etwas falsch verstanden. Es ist jedenfalls fantastisch, dass Frau Baryalei jetzt die Gelegenheit hat, hier bei uns auszustellen.

16: Unsere kleine, aber durchaus rennommierte Galerie hat einen besonderen Ruf für bildende Künstlerinnen. Wir sind bekannt als Entdecker für neue weibliche Talente. Wir fördern besonders die Kunst von Frauen.

IRINA: Fantastisch.

17: Es ist wirklich schön zu sehen, wie die zweite und die dritte Generation der Einwanderer in Deutschland ankommt. Nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch in der Kunstwelt.

18: Ich möchte das nicht lesen, was hier steht.

1: Wenn man bedenkt, dass es in den Herkunftsländern teilweise kaum Schulbildung gab. Von Kunstunterricht ganz zu schweigen.

Die Künstlerin tritt in Kontakt mit einem ihrer Objekte. Kommentarlos stellt sie eine Kunst-Performance vor. Die Performances sind Teil ihrer geplanten Inszenierung.

IRINA: Ich erinnere mich daran, wie erstaunt meine Eltern waren, dass es in den Häusern in Westberlin noch keine Heizungen gab. Dass ganz Berlin im Winter nach Kohle roch, dass die Häuser aussahen wie im neunzehnten Jahrhundert. Ich fühlte mich wie in die Zeit von Dostojewski zurückversetzt. -- Und diese Kunstszene, die ganzen.. rennommierten Galerien…, die wir heute in Berlin haben, die gab es damals in Westberlin überhaupt nicht.

2: Sie wollen sagen, dass wir in Berlin keine Kultur hatten?

IRINA: Kunst. Nicht Kultur. Es gab keine richtige Kunstszene. Damals. Sind Sie Berliner?

3: Warum?

IRINA: Weil Sie „wir“ gesagt haben.

4: À propos Dostojewski. Als Künstlerin sehen Sie Manches vielleicht aus einer etwas privilegierten Perspektive – nicht alle Flüchtlinge haben einen Zugang zu Literatur und Kunst. Wenn ich an die Tausende von Menschen denke, die alle in Europa unterkommen wollen, da haben ja die Wenigsten eine Chance bei uns auf dem Arbeitsmarkt. Da sehe ich schwarz.

IRINA: Ich habe selbst viele Jahre Probleme gehabt auf dem Arbeitsmarkt. - Auch ohne geflüchtet zu sein –

5: Na, da sehen Sie. Selbst für gebildete Flüchtlinge ist es nun mal nicht einfach.

6: Es heißt „Geflüchtete“.

5: Sage ich doch.

IRINA: Es geht um Erfahrung. Welche Erfahrung haben Sie gemacht, die in die Kunst einfließt? Das ist doch interessanter als die Frage, als wo ich ursprünglich herkomme.

7: Bravo.

8: Sind Sie gläubig?

IRINA: Sie meine, weil ich aus – weil meine Eltern –

9: Die Frage hat nichts mit Ihrer Herkunft zu tun. Ich sehe nur so viele religiöse Bezüge in Ihrem Werk.

IRINA: Ach so. Ja, Verzeihung, das hatte ich gerade falsch verstanden.

10: Das ist vielleicht eine zu persönliche Frage. Verzeihung.

IRINA: Nein, nein, das ist.. ich war nur gerade noch woanders, ich stand auf der Leitung. Ich glaube an eine Verbindung zu - … zum Beispiel arbeite ich stark mit Fügungen, mit – diese Kunstwerke entstehen gewissermaßen auch im Dialog mit ---

11: Herr Kurator! Wenn ich eine Frage an den Herrn Kurator stellen darf, der ja auch hier im Publikum sitzt: Hat diese Galerie einen Schwerpunkt für fernöstliche Kunst?

IRINA: Wie kommen Sie jetzt darauf?

12: Ich bin selbst auch in der Kunst tätig. Seit einiger Zeit habe ich keine Chance mehr, mit meinem deutschen Namen einen Job zu bekommen. Ich bekomme auch keine Förderung mehr. „Zu weiß, zu deutsch.“ Was soll ich machen?

13: Was hat das mit Frau Baryalei zu tun?

14: Ich bin Schauspielerin. Ich bin arbeitslos. Weiße Frauen werden gerade nicht gebraucht, wurde mir gerade erst wieder letzte Woche von meiner Agentur gesagt. Das hat jetzt nichts mit Ihnen zu tun. Aber –

Die Künstlerin tritt in Kontakt zu einem ihrer Objekte. Kunst-Performance.

IRINA: Ich habe für diese Performance, um die ich vom „Herrn Kurator“, der offenbar gar nicht anwesend ist, gebeten wurde, eine Schauspielerin gesucht. Für die Rolle der Papusza. Es war schwer, jemanden zu finden. Wissen Sie warum? Es gibt kaum People of Color mit einer Schauspielausbildung. Heute ja, ja ja, jetzt sucht man die Stellen verzweifelt zu besetzen. Noch vor wenigen Jahren konnte man als Schauspielerin mit „sichtbarem Migrationshintergrund“ in überhaupt gar keinem Theaterstück spielen. Es sei denn, eine Reinigungskraft war zu besetzen oder eine Person mit kriminellem Hintergrund.

(Zu Papusza: ) „Sie sind nicht gerade das Gretchen. Sie sind Fatma.“

15: Wo haben Sie eigentlich studiert? Oder ist das auch keine statthafte Frage!?

IRINA: Paris. Académie des Beaux Arts.

16: Paris, aha!

IRINA: Als ich mit dem Diplom in der Tasche zurück nach Deutschland kam, war es schwer, verdammt schwer, eine Ausstellung zu bekommen. Ich habe ehrlich gesagt viele Jahre gar nicht ausgestellt. Ich galt ja als eine Art..Exoten-Lieferantin, man fragte mich nur, wenn es um Kunst ging, die mit meiner Herkunft zu tun hatte. An den entscheidenden Stellen saßen – und sitzen – Menschen, die weiß waren und hauptsächlich weiße Männer gefördert haben.

17: Langweilig! Langweilig!!

18: Das Diplom ist ja in der Kunst nicht entscheidend.

IRINA: Richtig.

1 Die Kunst muss sich selbst behaupten.

2: Und in Frankreich? Warum haben Sie da nicht ausgestellt? Wenn man da multikultureller eingestellt war?

IRINA: Sehen Sie, Sie bringen mich wieder mit Multikulti in Verbindung.

3: An Ihrer Ausstellung sieht man einen Bezug zu orientalischen Themen. Das ist interessant, Ihre Perspektive ist bereichernd. Warum wehren Sie sich gegen Multikulti? Der Begriff ist etwas veraltet, gut, aber man muss ja nicht alles auf die Goldwaage legen.

4: Doch, muss man. Man muss die Worte abwägen.

5: Sie sprechen alle zu leise.

6: Wie bitte?

7: Ich finde es nicht richtig, was uns alles in die Schuhe geschoben wird. Es gibt auch Deutsche, die es nicht schaffen, in der Kunstwelt hochzukommen. Es ist immer schwer, hochzukommen.

8: Sie IST Deutsche.

IRINA: Danke. Wobei das auch total egal ist.

9: Sicherlich ist nicht alles richtig gelaufen in der Vergangenheit, aber man kann ja jetzt auch keine Hexenjagd auf weiße Männer in leitenden Positionen veranstalten.

10: Das ist umgekehrter Rassismus. Heutzutage wird man diskriminiert, weil man – ja, weil man weiß ist. Das ist auch Rassismus.

11: Kunstförderung wurde zur verkappten Förderung von Einwanderung umfunktioniert.

IRINA: Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße!

STIMME: Kaj san?

IRINA: Ich muss leider abbrechen. Technik? Hallo? Ich möchte Ihnen zum Abschluss dieses Experiments etwas Persönliches erzählen. Auf dem Weg zu Ihnen, auf dem Weg zu dieser renommierten Galerie, habe ich jemanden kennengelernt. Danyar. Ich stieg am Bahnhof in sein Taxi..

STIMME: Ada xira apr-o sundal, so mariben isi

Pre manusenoär masa ‘zdran, citron

Aj ‘gi rovel ratvale jasvenca

Nikom na zänel, kaj sie lesqre manusa

DANYAR: Salaam

IRINA: Guten Tag.

DANYAR: Wo kommst du her, Schwester,

IRINA: Berlin Paris Moskau, such dir was aus. Oder wie wäre es mit..Paderborn… „Bruder“?

DANYAR: Paderborn ist gut. Dein Deutsch auch.

IRINA: Weißt du nicht, dass das rassistisch ist?

DANYAR: Come on, Schwester. Wir sind Ausländer.

IRINA: Ich bin Deutsche.

Das Taxi gleitet durch die unbekannte Stadt, die Straßen wirken melancholisch durch die Musik, die im Wagen läuft.

DANYAR: Stört?

IRINA: Was? Die Musik? Nein. – Er dreht den Song ein bisschen lauter.

STIMME: Nek del tumeque mro Devel baxt bari

And-o ves kalo.

IRINA: Wir parken direkt vor der Galerie, der Fahrer öffnet die Fenster auf beiden Seiten, zieht seinen Mundnaseschutz herunter.

DANYAR: Danyar. – Mein Name bedeutet „der Weise“.

IRINA: Ok - Wir stehen im absoluten Halteverbot, Danyar. Er grinst nur.

DANYAR: Bist du auch eine von denen, die immer alles super richtig machen, nur um nicht als dummer Ausländer da zu stehen, der sich nicht an Regeln halten kann? –

IRINA: Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe keine Lust auf diese Art Gespräch, auf diesen Schulterschluss. Wir sind keine Opfer von niemandem, und ich kenne die Regeln im Straßenverkehr, weil ich genauso deutsch oder nicht deutsch bin wie die, die da vom Ordnungsamt kommen und Strafzettel verteilen.

STIMME: Ax, tu miri cerhenôrri! Angäl dives tu san bari.

IRINA: Deine Musik ist super pathetisch, sage ich schließlich.

DANYAR: Gib zu, dass du das schön findest.

IRINA: Klar finde ich das schön. – Ich weiß nicht, worauf er hinaus will.

DANYAR: Mashallah..wir sind eben ein bisschen anders. Schönen Goldschmuck trägst du.

IRINA: Danke. Ich habe das extra angezogen, für meine Ausstellung, soll Glück bringen. - Anders als wer? Ich bin ehrlich gesagt geradezu deutscher als deutsch, wenn man mit Klischees kommen will, und ich bin in der Heimat meiner Eltern nie, hörst du, niemals, gewesen! Das ist eine lange, sehr politische Geschichte. Und, ach egal.

DANYAR: Deutsche Frauen finden diese Musik übrigens nicht schön. Sie finden sie nur kitschig.

IRINA: Die Musik ist kitschig.

DANYAR: Du magst sie trotzdem.

IRINA: Es gibt gar keine deutschen Frauen. Es gibt einfach Frauen.

DANYAR: Wie heißt du?

IRINA: Fatma.

DANYAR: Echt? Das sagst du, um mir zu gefallen.

IRINA: Fatma gefällt dir?

DANYAR: Ja, klar.

IRINA: Heißen halt viele so.

DANYAR: Das gefällt mir gerade. -

Ist dir die Heimat deiner Eltern egal?

IRINA: Er macht den Motor aus, stellt die Musik ab. In meinem Kopf klingt die Melodie weiter.

Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil. Aber das ist nichts, worüber ich mit Menschen, die ich keine fünf Minuten kenne, reden möchte.

Er gibt mir eine Visitenkarte, auf der die Nummer seines Taxiunternehmens steht.

DANYAR: In meiner Heimat war ich Chemiker.

IRINA: Echt. Wow. Und jetzt…

DANYAR: Ruf an, wenn ich dich wieder abholen soll.

IRINA: Mein Geld nimmt er nicht an.

DANYAR: Wir sehen uns ja später,

IRINA: sagt er nur. Als ich die Heckklappe seines Wagens öffne, um meinen Koffer herauszuholen, ruft Danyar,

DANYAR: Was machst du? Willst du meinen Regenschirm klauen?

IRINA: Wo ist mein Koffer?

DANYAR: Du hattest keinen Koffer, Schwester.

IRINA: In dem Moment realisiere ich, dass mein Koffer im Zug liegt. Vor lauter Aufregung wegen dieser blöden Austellung..hab ich ihn komplett vergessen. Scheiße. Danyar, was soll ich machen, in dem Koffer war mein Kleid für heute Abend. Für meine Vernissage.

DANYAR: Ok..

IRINA: Nichts ist ok!! Das ist eine Vernissage! Kein Malkurs für Kinder!

DANYAR: Ich rufe meine Frau an, du kannst etwas von ihr anziehen.

IRINA: Siehst du, wie ich aussehe!! Ich hatte den Plan, in aller Ruhe, bevor die Leute kommen, meine Kleider zu wechseln. Siehst du, wie beschissen ich aussehe!

DANYAR: War nur das Kleid im Koffer, Fatma?

IRINA: Ich heiße nicht Fatma! Das ist mir jetzt scheißegal, was da noch drin ist, Hauptsache, ich kann diese Jogginghose ausziehen. Ich brauche mein Kleid!

DANYAR: Wir rufen jetzt erstmal beim Bahnhof an.

IRINA: DB-Hotline. Warteschleife. Scheiße Scheiße. Ich trage nie Jogginghosen! Nur heute, das ist der absolute Zufall, dass du mich heute in Jogginghosen siehst, ich habe mir extra ein Kleid schneidern lassen nur für diese Veranstaltung. Wie groß ist deine Frau?

DANYAR: Sie ist groß.

IRINA: Scheiße. Scheiße.

DANYAR: Komm, Fatma!

IRINA: Wo fährst du hin?

DANYAR: Karstadt.

IRINA: Karstadt. - Was kostet die Fahrt überhaupt? Hast du das an?

DANYAR: Was?

IRINA: Dieses Ding. Mann, hast du kein?

DANYAR: Habe ich nicht, nein, Kein Ding. Haha.

IRINA: Du fährst ohne Taxameter, ist das gar kein richtiges Taxi?

DANYAR: Danke, das Wort kannte ich nicht. Come on, Fatma. Ich habe das einfach ausgestellt. Denk nicht immer an Geld.

IRINA: Ich heiße Irina. Wenn ich nicht an Geld denke, bevor ich einkaufen gehe, bin ich direkt pleite.

DANYAR: Du redest wie meine Frau.

IRINA: Ist deine Frau deutsch?

DANYAR: Wie rassistisch du bist. Kann eine schwarze Frau nicht an Geld denken, bevor sie einkaufen geht?

IRINA: Wieso schwarz? Ich habe keine Hautfarbe genannt.

DANYAR: Ich habe gar keine Frau. Hahahaha. Spaß.

IRINA: Er hält direkt vor Karstadt.

DANYAR: Die kontrollieren mich nicht so schnell, keine Sorge. Das ist ein Taxi. Und es handelt sich um einen Notfall. Eine Frau braucht ein Kleid.

IRINA: Der Parkplatz interessiert mich nicht. Das Klischee von der Frau mit dem Kleid auch nicht. Hauptsache, ich finde was. Was machst du?

DANYAR: Ich komme mit. Ich sehe auch ziemlich beschissen aus. Meine Frau meint längst, dass ich mal eine neue Hose brauche.

IRINA: Wir gehen zügig durch den Laden, ich suche nach einer einfachen schwarzen Hose und einem T-Shirt, die Sache mit dem Kleid muss ich vergessen. Im Eingangsbereich hängen Sonderangebote. Bunte Tücher und geschmacklose Shirts. Wie konnte ich meinen Koffer nur liegen lassen, ich könnte heulen wegen meines neuen Kleids. Danyar präsentiert mir einen langen Rock mit billigem Blumenaufdruck. Richtig hässlich.

DANYAR: Zieh das hier mal an

IRINA: Meinetwegen. Aber erst suche ich eine Hose raus. Ich fahre mit dem Blumenteil auf dem Arm ein Stockwerk höher, und rufe parallel erneut bei der DB-Hotline an. Ein vergessener Koffer im Zug kann ja auch schnell einen Alarm auslösen. Am Ende denkt noch jemand, es sei eine Bombe –

„ Bitte begleiten Sie mich in unseren Service-Bereich.“

Bitte?

„Bitte widersetzen Sie sich nicht den Anweisungen, sonst wird es noch mehr Probleme geben.“

Ich bin gerade im Gespräch. - Wegen meinem Koffer? Was? Ich verstehe nicht. Ist mein Koffer? Was ist los? Hallo? Ich wollte fragen, ob Sie meine Bombe, ach, ob Sie meinen Koffer, in dem natürlich keine Bombe, haben Sie meinen Koffer –

Was wollen Sie von mir? Verzeihung, hier liegt ein Missverständnis vor.

„ Das glauben wir nicht. Wir haben Sie und Ihren Begleiter beobachtet. Ihre ganze Sippe ist in der Stadt unterwegs“.

Sie verwechseln mich. Mit Sicherheit. Lassen Sie mich bitte in Ruhe meinen Einkauf machen.

„Ladendiebstahl ist kein Kavaliersdelikt.“

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie etwas gestohlen. Noch nicht mal ein Kaugummi.

„Folgen Sie uns, oder wollen Sie noch mehr Aufsehen errregen?“

Kurze Zeit später sitze ich in einem Büro in der obersten Etage von Karstadt. Auf meinem Schoß das Kleid mit den riesigen Blumen. Der Mann, der mir gegenübersitzt, fragt, ob ich Deutsch spreche. Ich lege meine Trumpfkarte auf den Tisch. Sie haben einen deutschen Pass, sagt der Mann erstaunt. Ich bin Deutsche, richtig erkannt, sage ich. Aber auch wenn ich keinen deutschen Pass hervorzaubern könnte, würde das nicht heißen, dass ich dieses hässliche Kleid – ich denke für einen Augenblick an Danyar, der Arme, der gar nicht weiß, wo ich hingeraten bin – gestohlen habe. Ist es nicht erlaubt, mit einer Ware in der Hand eine Rolltreppe höher zu fahren? Dieser Typ ist lächerlich, mir persönlich kann diese Sache gar nichts anhaben. Die Menschen tun mir Leid, die in dieser Situation weder einen Pass haben noch der deutschen Sprache mächtig sind. Der Mann kontrolliert wie selbstverständlich meine Handtasche. Hosentaschen? Ich weiß nicht, was ich machen soll. Schließlich stehe ich auf, das Blumenkleid fällt auf den Boden. Meine schäbige Jogginghose verfügt offensichtlich über keine Taschen. Nun, Frau…Barralei, - es tut mir Leid, dass wir Sie und Ihren Begleiter – ich unterbreche ihn, Haben Sie Herrn…ich weiß noch nicht mal seinen Nachnamen, haben Sie meinen Begleiter auch festgenommen? Auf einmal bekomme ich Angst. Weiß ich, ob Danyar gültige Papiere hat? Stimmt alles mit seinem Taxi? Vielleicht ist er geflüchtet. Vielleicht in der Duldung. Verdammte Scheiße, sage ich zu den Typen, was machen Sie hier überhaupt? Wollen Sie uns anzeigen, weil Sie unsere Namen unaussprechlich finden? – ich habe nichts getan! Nichts!!

„ Und Ihr …Begleiter?“

Mein Herz klopft immer schneller. Lassen Sie mich raus. Was denken Sie, wer ich bin? Wer wir sind?

DANYAR: (aus dem Off) Fassen Sie mich nicht an! Lassen Sie mich sofort los! Loslassen! Loslassen!! Haben Sie nicht gehört?

„Es tut uns Leid, dass Sie einem Missverständnis zum Opfer gefallen sind. Auf Wiedersehen, Frau Bariblei. Die Kasse befindet sich im Untergeschoss, falls Sie vorhaben, das Kleid..“

„Nazi“, schreie ich. „Drecks-Nazi“! Wo ist Danyar? Danyar!!

Zigeunerin, höre ich eine Frauenstimme sagen.

DANYAR: Lass uns zur Galerie fahren.

IRINA: Was?

DANYAR: Komm. Bitte.

IRINA: Was will ich jetzt in der Galerie? Ich sage ab. Bist du verletzt? Brauchst du einen Arzt?

DANYAR: Deine Hose ist völlig in Ordnung.

IRINA: Hose? Wie ich aussehe ist mir jetzt so egal. Klar. Ich kann genauso gut in meiner Jogginghose zu meiner Vernissage gehen. Die Leute werden denken, dass das jetzt angesagt ist, dass das Understatement ist, völlig egal, ich gehe nicht hin. Die Ausstellung funktioniert auch ohne mich.

DANYAR: Das ist übertrieben.

IRINA: Wir sind gerade angegriffen worden.

DANYAR: Ich dachte, du willst kein Opfer sein.

IRINA: Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet, und jetzt erscheint mir die ganze Situation banal. Was bedeutet meine Auseinandersetzung mit Bronislawa Papusza Waijs in dem Moment, in dem du nicht atmen kannst?

DANYAR: Viel. Alles.

IRINA: - Ich bin jetzt gar nicht in der Lage, irgendwas Schlaues daher zu reden.

DANYAR: Du kannst deine Kunstwerke gerade jetzt nicht allein lassen.

IRINA: Danyar und ich fahren zur Galerie. Noch zwanzig Minuten bis die ersten Besucher kommen. Wir sitzen eine Weile schweigend im Auto, bis er sagt:

DANYAR: Deine indischen Götter sind übrigens ganz vergleichbar mit katholischen Heiligen. Es gibt für jeden Anlass eine Figur, zu der du beten kannst.

IRINA: Das stimmt. Diese Heiligen sind nicht Gott, aber sie sind ein Teil des göttlichen Wesens. - Ein Teil, der ganz alltäglich daher kommt.

DANYAR: Naja. Es hat ja nicht jeder zwölf Arme oder einen Elefantenkopf.

IRINA: Nicht? –

Versuch eines Lächelns

Er steigt aus, und öffnet die Beifahrertür, als ich keine Anstalten mache, ebenfalls auszusteigen.

DANYAR: Bist du religiös?

IRINA: Schon.

DANYAR: Inshallah

IRINA: Ich habe nicht gesagt, dass ich muslimisch bin.

DANYAR: Nicht?

Versuch eines Lächelns

IRINA: Gemeinsam gehen wir in den Ausstellungsraum. –

Sie folgt Danyar, der sich die Objekte ganz genau ansieht.

Wird jemand sagen, dass das esoterisch ist, was ich mache? Esoterisch ist mein Reizwort. Esoterisch und exotisch ist das Werk einer von.. woher auch immer geflüchteten Künstlerin. Ich bin das nicht. Die ..geflüchtete Künstlerin.

Ich habe oft den Zwang, in Deutschland sagen zu müssen, dass ich aus einer Hochkultur stamme. Als ich klein war, dachten die Mitschüler, dass ich nicht mit Messer und Gabel essen kann. Das hatten ihnen ihre Eltern wohl über mich erzählt.

DANYAR: Es schmeckt besser, wenn man mit der Hand isst.

IRINA: Bist du verrückt? Sei still. Das nährt doch jedes Klischee.

DANYAR: Ich habe übrigens erst gedacht, dass du aus Afghanistan kommst.

IRINA: Aha.

DANYAR: Hast du etwas gegen Afghanen?

IRINA: Natürlich nicht. Ich weiß, dass viele Iraner auf Afghanen herabblicken.

DANYAR: Du willst trotzdem keine Afghanin sein.

IRINA: Ich will auch keine Iranerin sein.

DANYAR: Aber besser man tippt auf Isfahan als auf Kabul. Richtig?

IRINA: Was willst du?

DANYAR: Du willst Menschen sehen, aber du siehst auch immer nur ihre kulturelle Leistung. Das ist auch sehr bürgerlich.

Papusza tritt auf

IRINA: Danyar, ich habe Angst vor dieser Ausstellung.

DANYAR: Was mir Sorge macht, das sind die Leute, die mehrere Jahre im Ausland verbracht haben, und deswegen ihrer Meinung nach einen Antirassismus-Ausweis mit sich herumtragen.

IRINA: „Ich bin farbenblind. Ich sehe quasi gar keine Hautfarben, ich sehe nur den Mensch. All Lives Matter!“

DANYAR: Das sind bürgerliche Leute, die sich weigern, etwas gegen die zu unternehmen, vor denen man dann richtig Angst haben muss –

Mach dir keine Gedanken. Du hast deine Arbeit schon gemacht. Den Rest macht deine Kali-Göttin, ganz allein. Sie braucht uns nicht.

IRINA: Doch, sie braucht uns. -

Danyar, ich habe Angst, dass der Grund dafür, dass ich jahrelang nicht eingeladen worden bin, gar nichts mit meinem ausländischen Namen zu tun hatte. Sondern allein mit mir. Und dass der Grund, dass ich jetzt eingeladen wurde, wiederum nur mit meinem Namen zu tun hat.

DANYAR: Warum heißt die Ausstellungsreihe eigentlich Gold?

IRINA: Ich weiß nicht. Für mich passt das.. meine Mutter hat auch immer Gold getragen. Die Roma wissen, wie wertvoll das Gold ist. Ich meine, nicht nur im Sinne von Geldwert. Wir tragen Gold am Körper, das ist – über manche Traditionen kann man nicht sprechen. Sie können zerbrechen. Wie in Papuszas Geschichte. Man muss überhaupt nicht über alles sprechen.

DANYAR: Weißt du, wie Gold entsteht? – Es entsteht im Universum. Es kommt aus einem uralten Regen, der auf die Erde gefallen ist. Ein Goldregen.

IRINA: Echt?

DANYAR: Wenn dich nachher jemand fragt, darfst du aber nicht sagen, dass du das nicht wusstest…

IRINA: Klar wusste ich das.

DANYAR: Ich wusste, dass du das wusstest. Sonst hätte ich dich gar nicht erst hierher gebracht. In diese renommierte Galerie!

IRINA: Bist du der Kurator?

DANYAR: Frau Barradam, sagen Sie, wo kommen Sie eigentlich her?

IRINA: Universum. Milchstraße 9. Geboren bin ich auf dem Mond.

DANYAR: Mond, sehr spannend!

IRINA: Und Sie, Herr Kurator!? Wo kommen Sie gebürtig her?

PAPUSZA: Ich schaue hier und dort

Wie der Mond im warmen Wasser badet

Was geht hier vor sich

Wenn alles wackelt

Es ist die Welt, die lacht

IRINA: Und Sie?

PAPUSZA: Oświęcim.

IRINA: Polen -

PAPUSZA: Auschwitz.

Stille

DANYAR: Es ist kurz vor.. gleich kommen die Besucher.

DANYAR: Ich setze mich in die letzte Reihe und bin bei dir. Es gibt doch gar keine Reihe in meiner Installation.

DANYAR: Musst du immer das letzte Wort haben? Fatma.

IRINA: Ich bin nicht Fatma.

TECHNIK: Geht es weiter? Oder -

IRINA: Ok. Lampe 11.

 

11: Das ist umgekehrter Rassismus. Heutzutage wird man diskriminiert, weil man – ja, weil man weiß ist. Das ist auch Rassismus.

IRINA: Sorry, aber das müssen Sie nicht wiederholen. Das war der Satz davor.

12: Kunstförderung wurde zur verkappten Förderung von Einwanderung umfunktioniert.

IRINA: Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße. - Haben Sie das jetzt zwei Mal gesagt? Oder höre ich das in meinem Kopf den ganzen Tag. Wie oft habe ich das schon erklären müssen. Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße.

14: Ich habe das nur ein Mal gesagt, und ich stehe zu meiner Meinung.

15: Man muss auch mal eine Meinung stehen lassen, Frau Baryalei.

IRINA: Nein. Das hier hat mit Meinung einfach gar nichts zu tun. Man kann gar keine Meinung dazu haben, wenn man die Definition nicht kennt. Rassismus ist ein strukturelles Problem. Es gibt Weiße, die diskriminiert werden, von wem auch immer

16: Zum Beispiel von Schwarzen, oder von den sogenannten People of Colour. Früher haben wir Farbige gesagt, und das hat auch keinem geschadet.

IRINA: Nochmal: Es gibt Weiße, die schlecht behandelt werden, es gibt Weiße, die gemobbt werden, aber selbst, wenn der Grund für dieses Mobbing ihr Weißsein ist, so handelt es sich qua definition trotzdem nicht um Rassismus. Denn wenn der oder die Weiße den Raum verlässt, in dem das Mobbing stattgefunden hat, so wird er oder sie in einem anderen Raum nicht das gleiche Problem haben, insofern es sich auf seine Hautfarbe bezieht. Die weiße Hautfarbe ist auf der ganzen Welt von Vorteil. Die schwarze Hautfarbe ist weltweit von Nachteil. Betroffen ist jeder schwarze Mensch von Rassismus.

17: Man kann es aber auch übertreiben. Knorr, sage ich nur. Knorr!

18: Knorr. ?

1: Knorr hat die Zigeunersoße umbenannt. Man muss jetzt scharfe Paprikasoße bestellen, wenn man Zigeunersoße haben möchte.

IRINA: Was verbinden Sie persönlich mit „Zigeuner“?

2: Musik.

3: Wo hören Sie da Musik?

4: Ich höre nichts.

5: Es gibt leider furchtbar viele Bettler, die so tun, als ob sie nicht laufen können.

6: Man kann es leider nicht anders sagen.

7: Das ist ein Problem. Auch der Müll.

8: Das ist nicht nur Müll. Das ist Dreck.

9: Das ist verletzend. Das ist zu viel.

10: Ich werde auch verletzt. Ich bin Lehrerin. Jeden Tag muss ich das aushalten, dass Väter ihre Kinder nicht zur Schule schicken und am Telefon lügen.

11: Das muss man auch mal anhören, Frau Baryalei.

IRINA: Was meinen Sie?

12: Das muss man schon mal sagen dürfen.

13: Man kann es leider nicht anders sagen.

IRINA: Man kann es leider nicht anders sagen: Soße aus Dreck. Warum sollte diese Soße gut schmecken? Warum bestehen Sie auf diesem Namen?

14: Mohrenkopf, genau so ein Beispiel. Meiner Meinung nach geht das zu weit, wenn man jetzt schon Gasthäuser umbenennen muss. Ich kenne einen Schwarzen, der findet das genauso lächerlich wie ich. Dem gehört sogar das Restaurant.

15: Da kann ich Ihnen auch X Beispiele nennen. Auf einmal soll alles rassistisch sein. Ich bin wirklich kein Rassist.

16: Dann müsste man auch aufhören, Wiener Würstchen zu sagen. Vielleicht fühlt sich ein Wiener angegriffen.

IRINA: Das ist doch etwas komplett anderes. Verzeihung, aber das läuft aus dem Ruder. Das habe ich nicht geschrieben.

17: Sie wollen uns vorschreiben, was wir zu sagen haben –

IRINA: Das ist ein Projekt. Ich wollte Ihnen etwas zeigen. Uns allen.

DANYAR: Wenn Sie ein Mal im Jahr auf dem Weihnachtsmarkt am Süßigkeitenstand stehen, um Ihrem Enkel etwas zu kaufen, warum ist es dann so schwer, zu sagen: ich hätte gerne einen Schokokuss. Insgesamt handelt es sich um drei bis vier Wörter, die Sie freundlicherweise neu lernen müssen. Eine überschaubare Angelegenheit. Aus Respekt.

18: Das kann man so oder so sehen. Dabei bleibt es ja nicht. Die ganze Sprache wird umgebaut. Deutsche Traditionen werden mit Füßen getreten.

DANYAR: Haben Sie keine anderen Traditionen als Schwarze Menschen mit negativen Attributen zu belegen?

IRINA: Wenn Sie sich dieses Kunstobjekt ansehen, diesen Rock, den ich nach einem Gedicht von Papusza entworfen habe, „Tränen aus Blut“, dann sehen Sie vielleicht noch etwas anderes als dreckige Soße. Wenn Sie an Roma und Sinti denken.

1: Ich habe nichts gegen Zigeuner, gar nichts. Die hat es ja schon immer gegeben.

IRINA: Bitte sagen Sie nicht…. 500.000 Roma und Sinti sind in sogenannten Zigeunerlagern umgebracht worden.

2: Kommen Sie jetzt nicht mit der Keule. Der Krieg ist keine Ausrede für das, was jetzt passiert.

IRINA: Ich habe nicht Krieg gesagt, es geht um den Holocaust.

3: Der Dreck, den die im Maschmühlenweg auf die Straße schmeißen, hat nichts mit dem Holocaust zu tun.

IRINA: Ich kenne den Matsch-Mühlenweg nicht. Ich muss nicht alle Menschen mögen und alles mit allem entschuldigen. Trotzdem: der Dreck auf Ihrer Matschmühlenstraße hat etwas mit dem Holocaust zu tun.

4: Das ist genau, wie wenn Sie sagen: Der Kolonialismus ist daran schuld, dass Afrika den Bach runtergeht. Oder Indien! Klar haben die Briten da gemetzelt. Aber das ist lange her!!

IRINA: Das Restaurant übrigens, mit dem Namen, der aus der Kolonialzeit stammt, ist Treffpunkt für den wöchentlichen AFD-Stammtisch in Kiel. Dies nur am Rande.

5: Es war nicht alles schlecht, was die Leute in den Kolonien gemacht haben. Denken Sie an Albert Schweitzer!

IRINA: Es gibt immer Einzelne, die helfen wollen, aber wenn sich die Struktur keinen Deut verändert, wird es für die Menschen nicht besser. Wissen Sie, wie viele Roma, - und viele von ihnen sind in dieser Stadt geboren – jeden Monat aus Deutschland abgeschoben werden? -- Wissen Sie, dass die Großmütter und Großväter von diesen Roma in Auschwitz gewesen sind?

Wo ist das Abendland geboren? Hieß nicht Maria einmal Maryam? Seit wann ist Maria weißer als weiß? Übersetzen Sie mal alle Namen aus der Bibel zurück.

6: Was soll das werden? Selbstverständlich wenden wir uns alle, die wir hier versammelt sind, gegen rechte Parolen. Wir sind für Teilhabe. Selbstverständlich.

7: Da haben Sie jetzt aber etwas in den falschen Hals gekriegt. Ich habe alles abgelesen, was auf dem Blatt stand. Fertig aus.

8: Wir haben auch Einiges durchgemacht im Krieg. Und als der Krieg vorbei war.

PAPUSZA: Wo sollen die Kinder schlafen

Tag und Nacht ohne Feuer

 

In der Nacht würde uns der Feuerschein verraten

Am Tag der Rauch

 

Wie sollen wir leben

Auf der Flucht –

Vor –

Den Deutschen

 

Tag und Nacht ohne Feuer

Im Winter

Ohne Schuhe

Im Schnee

Ein Kind auf dem Rücken, ein Kind im Arm

So gingen wir

 

Wie viele Tränen wurden geweint

Wir sind gestorben

Nacht für Nacht

Auf der Flucht

Tag und Nacht

Ohne Feuer

 

Stille

Irina geht ab, Danyar folgt ihr. Papusza bleibt im Raum mit den Zuschauern.

 

9: Die Künstlerin ist abwesend!

10: Das gehört vielleicht zum Konzept?

11: Was?

12: Esoterisch.

13: Kommt sie nochmal wieder?

14: Das ist nicht esoterisch. Das ist „politisch“….

15: Ich finde das politisch gesehen nicht gerade korrekt, wenn sich Frau Baryalei plötzlich als Romni präsentiert.

16: Was ist Romni?

17: Das ist eine Roma-Frau. Oder Sintiesa. Sinti-Frau.

18: Ich finde es auch anmaßend.

1: Hat was von kultureller Aneignung. Das muss man halt schon sagen.

2: Mit einem ausländischen Namen ist das wohl in Ordnung.

3: Am Ende ist sie gar nicht ausländisch. Irgendwo habe ich gelesen, dass „Baryalei“ ein Künstlername ist.

4: Künstler-innen-Name…

5: Wenn sie eine Deutsche ist, wer hat sie dann gebeten, über Roma und über Schwarze Menschen zu sprechen? Das ist aber ein ganz starkes Stück.

(6. Das ist eher ein schwaches Stück. Das wäre ja, wie wenn eine bio-deutsche Autorin ein Theaterstück über Rassismus schreiben würde. Wenn ich von Rassismus betroffen wäre, würde ich mir da aber nichts erzählen lassen.

7: Bio-deutsch klingt faschistisch.)

8: Frau Baryalei will alles abschaffen. Pippi Langstrumpf, Kalle Knopf, Schnitzel und Soße.

9: Wirsch!

10: Bitte?

11: Es heißt Kalle Wirsch. Und Jim Knopf.

12: Wenn ich ein Jägerschnitzel bestelle, muss ich dann auch den Jäger um Entschuldigung bitten? Bis heute habe ich gedacht, dass wir in einer Demokratie leben, in der jeder reden kann, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. A propos Schnabel: Ich entschuldige mich bei der Ente!

13: Man hat auch in der Demokratie Regeln des Anstands zu befolgen. Hitlergruß und Hakenkreuz sind auch verboten. Oder soll man das etwa nicht verbieten?

14: Das ist ja wohl was ganz anderes. Eine harmlose Süßigkeit mit einem Namen, den wir immer ganz harmlos benutzt haben. Manches muss man aus der Zeit heraus sehen!

15: Aus der Zeit heraus.. wissen Sie, was das bedeutet?

--

16: Schrecklich still hier.

 

Off

DANYAR: Ich höre tausend Sätze auf einmal. Millionen Kommentare. Ich kann lesen, was auf Facebook und Twitter gerade gepostet wird, ohne dass ich online gehe.

IRINA: Es gibt keinen Dialog. Nur vorgefertigte Gedanken. Nichts entsteht. Nichts. Jeder erzählt dem anderen etwas und wendet sich dann ab. Es gibt keinen Dialog.

DANYAR: Ich kann jetzt nicht Auto fahren.

IRINA: Gib mir den Autoschlüssel.

DANYAR: Tokio. Hawaii, Warschau. Am besten gleichzeitig.

IRINA: Der Fahrtwind bringt den Herbst. Ich bin lange nicht mehr gefahren. Zuletzt muss das um 1940 herum gewesen sein. Die Kinder sind uns hinterhergelaufen, manchmal bis zum Wald. Sie haben unsere Lieder aus der Ferne gehört.

DANYAR: Wo bist du?

IRINA: Und du?

DANYAR: Weg.

IRINA: Dein Telefon klingelt.

DANYAR: Das ist deins.

IRINA: Nein. Es gab noch keine Handies um 1940. Es ist deins.

DANYAR: Geh ran und sag dass ich nicht da bin. Sag, dass ich gerade im Begriff bin, mit einem fremden Stern zu kollidieren.

IRINA: Du fährst zu schnell.

DANYAR: Du fährst doch.

IRINA: Ach ja.

DANYAR: Ich habe das Gefühl, dass wir im Kreis fahren.

IRINA: Ich fahre geradeaus.

DANYAR: Naja. Bei der Kollision von Sternen wird die Zeit und der Raum gekrümmt. Geradeaus gibt es eigentlich nicht mehr.

IRINA: Dein Telefon…

DANYAR: Hallo? Oh. – Dein Koffer wurde abgegeben.

IRINA: Wo denn? Am Bahnhof?

DANYAR: Das hat sie nicht gesagt.

IRINA: Wer?

DANYAR: Eine Frau. Ist doch egal. Wir bekommen deinen Koffer. Du kriegst dein Kleid zurück.

IRINA: Welche Frau?

DANYAR: The number you have dialed is not in your space-time-continuum.

IRINA: What??

DANYAR: Da wird keine Nummer angezeigt.

IRINA: Shit. Polizei. Wir werden rausgewunken. Ich hoffe, dass ich einen Führerschein habe.

DANYAR: Dabei habe, meinst du.

IRINA: Wie? Nein, ich meine..vielleicht habe ich gar keinen.

DANYAR: Bist du verrückt? Lass mich sofort auf den Fahrersitz.

IRINA: Hast du gültige Ausweispapiere, Danyar?

DANYAR: Wer ist Danyar?

IRINA / Polizei: Guten Tag. Ihre Papiere bitte. Wie ist Ihr Name?

IRINA: Papusza. – Fatma…

DANYAR: Irina Baryalei.

IRINA / Polizei: Und Sie?

DANYAR: Kalle Wirsch.

IRINA / Polizei: Was soll das Theater? Öffnen Sie umgehend Ihre Heckklappe! Was ist denn in dem Koffer, Frau Baradamm?

IRINA: Baryalei.

IRINA /Polizei: Oha! Eine Goldwaage!! Und wo ist das dazugehörige Gold? Frau Baralamm?

DANYAR: Warum bist du nicht Schauspielerin geworden?

IRINA: Die Polizei ist weg. Aber mein Koffer ist wieder da! Mein Koffer!
 

DANYAR: Willst du ihn nicht öffnen?

17: Haben Sie das gehört?

18: Was denn?

1: Ich höre auch was.

IRINA: MEINE SPUCKE IST WASSER AUF DEINE MÜHLEN / SPÜLT DEIN HERZ AUS UND / WÄSCHT MEINE SEELE REIN, 180 GRAD DREHUNG. Mein Blut ist kein Tabu. Meine Scham hat keine Schuld. Schwarze Kali, aufgestellt tausend Jahre vor irgendwann, weibliche Sprache von Blut, das kommt und geht, das fortgewaschen wurde aus den Geschichten der Welt, roter, blutiger Faden der Geschichte, die von Mannsbildern weißgewaschen wurde, WO BIST DU, KAJ SAN, STELL DICH INS LICHT LASS DICH NICHT SCHREIBEN, GESCHICHTE, SONDERN SCHREIBE DICH SELBST. Geschichte passiert nicht, nur 1000 Geschichten passieren, denn GESCHICHTE wird geschrieben von denjenigen, die bestimmen, was im kollektiven Gedächtnis überleben darf. Wer kennt die Schwarze Madonna, außer denen, die selbst von der GESCHICHTE an den Rand gedrängt worden sind? Habe ich Ihre Frage richtig beantwortet? Warum ich mich für Roma und Sinti interessiere, ausgerechnet..? Wir möchten keine Fragen mehr stellen, das ganze Theater der Fragen interessiert uns alle, die wir hier in wessen Namen versammelt sind?, interessiert uns alle nicht, solange niemand die Antworten anhört. Eine letzte Frage, Wo sind Sie? Kaj san. Wo bist du? Ich brauche dich. Ich spreche mir dir.

2: Diese Stille ist so ein angenehmes Geräusch.

Irina und Danyar kommen zurück

IRINA: Ich habe alles erklärt, aber alles ist nie genug. Ich habe genug davon, alles allen zu erklären. Alles ist unwahr, nichts ist aber falsch. Nichts stimmt nicht.

DANYAR: Ich bin müde.

IRINA: Wir haben unsere Milch gegeben wie auch Ihr Eure Milch gegeben habt. Kein Amen. Einfach danke, dass Sie da sind. Wer sind Sie? -- Wer spricht, wenn Sie sprechen? Ich bin nicht müde. Ich bin leer. Ich bin Kali. ich habe unsere Dämonen getötet, unsere Wut ausgespuckt.

DANYAR: Wissen Sie, wie Gold entsteht?

PAPUSZA: Wir sind wie Sträucher aus Gold, die überall auf der Erde wachsen,

IRINA: unser Volk ist über die Erde verstreut, wie Gold.

DANYAR: Wenn ein Stern, der aus einer tausende Kilometer Durchmesser umfassenden, um sich selbst rotierenden Gaswolke besteht, nach Ablauf einer Reihe an chemischen Reaktionen, schließlich explodiert, bleibt etwas von ihm bestehen, ein Sternenrest, ein sogenannter Neutronenstern, oder auch: Pulsar. Der Pulsar ist gewissermaßen ein toter Stern, aber er kreist noch immer um sich selbst. Sein Durchmesser beträgt jetzt nur noch etwa zwanzig Kilometer. Wenn in seiner Nähe ein anderer Stern ebenso explodiert ist, rotiert ein weiterer Pulsar um sich selbst. Die Gravitationswellen dieser beiden Pulsare bremsen sich aber gegenseitig ab. Sie werden gemeinsam langsamer. Sie drehen aufeinander zu. Bis sie miteinander verschmelzen. Was bedeutet verschmelzen? Sie werden eins, und dabei werden sie keins. Das Faszinierende ist, dass sie gemeinsam verschwinden. Sie lösen sich aber nicht auf, sondern transformieren sich zu einem sogenannten black hole. Sie werden also nicht nur zu Nichts, sondern zu einem Nichts, das alles enthält! Denn dieses unendlich – und unendlich meint hier unendlich! – tiefe lichtlose Loch im Universum entsteht als Etwas, das alles in sich hinein zieht. In dem Moment, in dem aus den toten Sternen das Loch im Universum wird, im Moment der Sternenkollision entstand in der Kernschmelze Gold! ..das aber nicht etwa in das Schwarze Loch fiel, das ja alles in sich hinein ziehen müsste, nein, das Gold wurde über die Milchstraße ins Universum ausgestoßen. Es regnete Sternenstaub. Es regnete Gold im Weltall. Und alles Gold, was heute auf der Erde vorkommt, stammt aus diesem Goldregen.

3: Wollen Sie einen Sekt mit mir trinken?

4: Maryam?

5: Meinen Sie mich?

6: Sag mir nie wieder, wie ich bin. Was ich fühle.

7: Ich fühle nichts.

8: Ich habe das Gefühl, dass mich diese Figur ansieht.

9: Sag doch auch mal was.

STIMME: Kaj san?

 

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